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Beim Arbeitgeber

Die “Firma”

Microsoft Research India besteht aus sieben Gruppen die in jeweils unterschiedlichen Teilbereichen der Informatik forschen. Jede Gruppe besteht aus 4-8 Forschern. Dazu kommen Praktikanten (wie ich) und Besucher. Besucher arbeiten hier einige Wochen an einem Forschungsthema, der Unterschied zum Praktikanten scheint mir hauptsächlich im rechtlichen Status und der Bezahlung zu liegen. Oft kommen auch Gäste, die nur einen Vortrag geben oder ein paar Tage bleiben um neue Ideen auszutauschen. Umgekehrt sind die hier beschäftigten Forscher oft auf Reisen, selten sind alle Mitarbeiter da. Wie bei uns an der Uni gibt es noch Mitarbeiter die sich um die Verwaltung und Computer kümmern und jede Menge Service- und Sicherheitspersonal dazu später mehr…

Einmal pro Woche gibt es eine kurze gemeinsame Besprechung, bei der ein Großteil der Forscher anwesend ist. Im Anschluss trägt ein Gast oder ein Forscher über seine aktuelle Arbeit vor. Dies ist aber auch schon die einzige Gruppenübergreifende Veranstaltung.

Der erste Arbeitstag

Um 10Uhr geht es los. Zusammen mit drei anderen Studenten die heute beginnen werde ich an der Rezeption begrüßt. Wir bekommen das Gebäude gezeigt, unsere Gruppe vorgestellt und von verschiedenen Personen jede Menge Vorträge.

Z.B.: Die Geschichte von Microsoft. Wie die Computer zu bedienen sind. Welche Gefahren im Internet lauern. Welche Formulare wir ausfüllen müssen. Das es aus Umweltschutzgründen besser ist, E-Mails auf dem Bildschirm zu lesen, statt diese Auszudrucken. Welche Person der Ansprechpartner für welche Fragen ist. Funktion der technischen Geräte (Telefon, Videokonfrerenz,…). Mülltrennung: Es gibt hier nicht nur einen Mülleimer sondern zwei! Einen für Biomüll, einen für alles andere.

Ich kann nicht immer einordnen was davon “typisch Indien”, was “typisch Großkonzern” und was typisch für ein Unternehmen mit internationalen Beschäftigten ist. Diese Einführungen dauern den ganzen Tag. Ich habe also kein bisschen produktiv gearbeitet aber ich befürchte das war unvermeidbar.

Das Büro

Unsere Gruppe ist, zusammen mit einer weiteren Gruppe, im dritten Stockwerk des Gebäudes. In der Mitte des Stockwerkes befindet sich ein Großraumbüro. In diesem sitzen die Praktikanten und Besucher.

Das Großraumbüro hat nur auf der Nord und der Südseite Wände. An den anderen Seiten, grenzen kleine Büros der Forscher, welche nur durch riesige Glastüren vom Großraumbüro getrennt sind. Die kleinen Büros der Forscher haben riesige Fenster nach draußen. Dies (durch Fenster und Glastüre) ist aber auch der einzige Weg auf dem Tageslicht ins Großraumbüro dringen könnte. Es gilt in Indien als besonders elegant das Tageslicht zu meiden. Die Jalousien sind üblicherweise den ganzen Tag unten und die Beleuchtung beleibt immer eingeschaltet.

Dies trifft zum Glück nicht auf das Besprechungszimmer zu, hier ist meist eine Jalousie oben. Es ähnelt eher einem Wohnzimmer aber hat ein mittelgroßes Whiteboard (Eine Tafel, weiß statt schwarz, man schreibt mit Filzstiften statt Kreide).

Kleiderordnung

Ich hatte gehört, dass formelle Kleidung in Indien wichtig sei und mich entsprechend vorbereitet. Ich habe hauptsächlich lange (nicht-Jeans) Hosen und Langarmhemden dabei. Außerdem hatte ich extra schwarze Lederschuhe gekauft, denn ich wollte möglichst wenig auffallen. Aber ich habe keinen Anzug mitkommen! Ob das eine kluge Entscheidung war?

Hier angekommen war ich dann doch überrascht: Für Informatiker scheinen Kleiderordnungen weltweit nicht zu gelten. Das mit der formellen Kleidung in Indien mag stimmen. Bei Microsoft spielt das keine Rolle. Kurze Hosen, alte Turnschuhe und zu weite T-Shirt sind völlig angemessen - sofern man Informatiker ist - der Rest des Personal dürfte sich das vermutlich nicht erlauben.

Meine Kleidungswahl hat aber auch Vorteile. Die Klimaanlage bläst ständig 24Grad warme Luft ins Büro. Man spürt den Wind fast überall im Büro. Als ich einen Tag in kurzer Hose und Shirt kam, bin ich bald vom Schreibtisch auf die Dachterrasse umgezogen weil es mir drinnen zu kalt wurde. Lustigerweise haben die indischen Kollegen andere Präferenzen. Sie kommen selten auf die Dachterrasse und rufen den Hausmeister sobald die Klimaanlage nicht läuft.

Die Dachterrasse ist auf unserem Stockwerk und nur einige Schritte von meinem Schreibtisch entfernt. Ich sitze oft auch hier draußen denn das ist die einzige Möglichkeit bei Tageslicht zu arbeiten.

Arbeiten mit einem Windows Computer

Wie erwartet muss ich hier Windows benutzen. Aus Sicherheitsgründen darf ich aber nicht mit dem eigenen Laptop (auf dem ich extra zusätzlich Windows installiert hatte) ins Netzwerk. Mir wird hier ein Rechner bereitgestellt.

Da ich seit Jahren Linux benutze, wurde mir im Vorfeld gelegentlich aufmunternd gesagt: “So schlimm wird das gar nicht. Du wirst sehen, dieses Windows ist gar nicht so schlecht”. Ich dachte dann immer nur erstaunt: “Ja - das erwarte ich auch. Da ich im Büro bei Microsoft sowieso nur einen kleinen Teil meiner üblichen Computertätigkeiten mache, kann die Umstellung nicht so groß sein.”

Da hatte ich mich getäuscht - es wurde schlimm! Noch bevor ich irgendwelche zusätzliche Software installiert hatte (die man dafür verantwortlich machen könnte) ist mir zunächst Outlook, am nächsten Tag der ganze Rechner abgestürzt. Der Administrator rät zum Schutz des Firmennetzwerkes und der Stabilität des Rechners davon ab zusätzliche Programme zu installieren. Da vieles fehlt (LaTex-Entwicklungsumgebung, komfortabler Webbrowser, PDF-Betrachter, SSH-Client, Subversion-Client, Instant Messenger, Wörterbuch Software) lässt sich das aber nicht vermeiden.

Das Arbeiten geht bei weitem nicht so schnell wie vom eigenen Computer gewohnt. Ein Grund dafür ist auch das sehr langsame Internet. Der Datenverkehr muss zunächst über ein Firmeneigenes Netzwerk um den Globus geroutet werden, irgendein Telekommunikationsunternehmen auf diesem Weg hat zur Zeit ein kaputtes Unterseekabel. Auf eine Lösung warten wir nun schon seit 3 Wochen.

Alle paar Tage kommen E-Mails mit Hinweisen, dass  irgendetwas gerade nicht funktioniert oder das eine Software aus Sicherheitsgründen dringend auf den neusten Stand gebracht werden muss. Die im Hintergrund laufende Sicherheitssoftware zwingt mich ab und zu zu einer Sekunden bis Minuten dauernden Zwangspause. Möglicherweise ganz normal für Großkonzerne.

Bevor dieser Beitrag einem Windows-Fan unangenehm Aufstößt will ich noch hinzufügen:  Andere Betriebsysteme haben sicher auch ihre Probleme. Ich denke meine Arbeitsweise hat sich im letzten Jahrzehnt einfach so an bestimme Betriebssysteme und Programme angepasst dass ich mit deren Problemen gar nicht mehr konfrontiert werde. Außerdem werde ich hier mein Bestes geben, dem Windows Betriebssystem zu mehr Zuverlässigkeit zu verhelfen.

Nebensaison für Praktikanten

Das vierte Quartal ist leider eine sehr untypische Zeit für Praktikanten. In unserer Gruppe ist nur ein weiterer. Insgesamt sind es schätzungsweise nicht mehr als 10 Praktikanten und Besucher. Außer mir kommen alle aus Indien. Ich werde möglicherweise niemanden finden der mich auf Reisen durch Indien begleiten möchte.

Barfuß laufen und den ganzen Tag Müsli und Kekse essen

In Freiburg bin ich berüchtigt dafür, dass ich oft Barfuß laufe und im Büro jede Menge Kekse und Müsli esse. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass ich dies in Indien nicht machen kann. Aber auch hier wurde ich positiv überrascht: Auch mein Chef läuft hier manchmal Barfuß. Müsli und Kekse gibt kostenlos so viel mal will.

Jedes Stockwerk hat eine Speisekammer in der man sich jederzeit bedienen kann. Da die Auswahl hier größer ist als im Gästehaus frühstücke ich meist auch hier. Die meisten Kollegen, die keine Familie hier haben machen das ebenso.

Dies ist auch einer der Gründe, weshalb ich per Skype oder Instant Messanger nicht so gut zu erreichen bin. Da ich im Büro mit allem außer Internet gut versorgt bin, ist der Anreiz gering schon vorzeitig nach Hause zu gehen und ich gehe oft erst kurz vor dem Schlafengehen ins Gästehaus zurück.

Essen

Zwischen 12:30 und 13:30 gibt es Mittagessen in einer kleinen Kantine im Erdgeschoss. Normalerweise gehen alle anwesenden Mitglieder aus der Gruppe gemeinsam hin.

Um 17:00 gibt es “Snacks”. Das Küchenpersonal hat einen kleine indischen Imbiss (bisher jeden Tag etwas anders) zubereitet. Die meisten Mitglieder aus der Gruppe gehen zusammen hin.

Service, Service, Service

Wie auch im Gästehaus soll ich mich hier um möglichst wenig kümmern müssen. Das Personal möchte mir für die 750m zur Arbeit gerne ein Taxi rufen, dass natürlich von Microsoft bezahlt werden würde. Das ich zu Fuß gehe wird akzeptiert, stößt aber auf Verwunderung (hauptsächlich beim Service-Personal, die anderen Forscher verstehen mich).

Das ganze Gebäude wird rund um die Uhr von einigen Sicherheitskräften bewacht. Wann ich komme und gehe wird immer notiert. Es ist mir auch nicht gelungen das Gebäude von außen zu Fotographieren. Beim Versuch kam gleich ein Wachmann angerannt, der mich bat das Bild wieder zu löschen.

Das Gebäude selbst ist vollen Servicekräfte. Für einen nicht-Oberschicht-Europäer unvorstellbar. Täglich wird das ohnehin sehr saubere Gebäude geputzt. Die Speisekammer wird mehrmals täglich geputzt und nachgefüllt. “In Indien gibt es keine Privatsphäre” habe ich oft gelesen. Hier trifft das zu. Wenn ich mir in der Speisekammer ein Brot streiche ist es nicht ungewöhnlich dass eine Service-Kraft schon daneben steht um zu kontrollieren ob danach das Nutella Glas ersetzt werden muss oder ein paar Krümel angefallen sind, die man putzen könnte. Tagsüber wird ständig kontrolliert ob Kaffeemaschine, Kühlschrank oder Keksdosen nachgefüllt werden müssen oder schmutziges Geschirr gewaschen werden könnte. Selbst auf der Toilette passiert es gelegentlich dass während ich mein Geschäft verrichte, die Service-Kraft schon daneben steht und wartet weil sie gerade auf dem (mehrmals täglichen) Putz-Rundgang ist.

Arbeitszeiten

In Indien hat man üblicherweise eine sechs-Tage Arbeitswoche. Das gilt aber nicht hier für Microsoft. Hier wird offiziell nur von Mo-Fr gearbeitet. Praktikanten, Besucher und vereinzelte Forscher sind auch am Wochenende da. Ich vermute, dass die Speisekammer und das Mittagessen (nur am Samstag) ein zusätzlicher Anreiz dafür sind. Leides “muss” das Service-Personal deshalb jeden Wochentag arbeiten.

Ansonsten gibt es auch keine festen Arbeitszeiten. Jeder kann kommen und gehen wann er will oder ganz von zu Hause arbeiten. Allerdings gilt damit vermutlich auch das Prinzip: “Was als Arbeitsleistung zählt ist das Ergebnis”